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Brave und arbeitsame Auswanderer werden ebenso geachtet wie der US-Präsident

Manch einer mag in diesem Jahr eine Reise in die USA unternommen und sich die Sehenswürdigkeiten im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ angesehen haben. Was heute mit dem Flugzeug ohne große Probleme möglich ist, war in früheren Zeiten mit erheblich größerem Aufwand verbunden. Trotzdem nahmen viele Ostfriesen aus oft wirtschaftlichen Gründen die Strapazen auf sich. Lockte doch die Aussicht auf Reichtum, Glück und Freiheit auf dem „neuen“ Kontinent.

 

Wie sich so ein neues Leben in den USA gestaltete, konnten die Overledinger z.B. am 28.02. und am 02.03.1852 im Leerer Anzeigeblatt lesen. Dort wurde ein langer Brief eines „aus Rhaudermoor nach North-Grave im Staate Illinois in Nordamerika ausgewanderten Ostfriesen“ abgedruckt, der hier auszugsweise wiedergegeben wird. Der leider ohne Angabe eines Namens versehene Brief bezieht sich auf die Zeit nach der Ankunft in New Orleans.

 

„Meine Theuren und Lieben! Wir sind Alle zwar wohl und munter, jedoch unseren lieben Sohn auf der Reise haben verlieren müssen. Den 27.Juli hat uns nun aber allhier der Herr wieder getröstet und erfreut durch die glückliche Geburt einer wohlgebildeten Tochter, die den 10.August von einem christlichen Prediger getauft worden ist. 

 

In Betreff der Fortsetzung unserer Reise habe ich Euch nun weiter zu melden, daß wir den 27.Juni Abends per Dampfschiff von New Orleans ab nach St. Louis den gewaltigen Mississippi hinaufgefahren sind. Der Fluß war zur Zeit aus seinen Ufern getreten und hatte, wie wir vernahmen, großen Schaden angerichtet. Die Fahrt währte 9 Tage, weil der Strom zu stark herunterkam. 

 

Ein halbe Stunde vor St. Louis, das auf einer Kalksteinbank liegt, wurden alle Passagiere an’s Land gesetzt; ein Arzt kam, den Gesundheitszustand derselben zu untersuchen und alle Sachen mußten gereinigt werden. Auf unserem Schiff war 1 und auf dem einige Zeit vor uns angekommenen waren gar 40 Passagiere an der Cholera gestorben. 

 

Darauf fuhren wir auf einem andern Dampfer 3 Tage lang. Zuletzt nahmen wir uns einen Fuhrmann der uns in 2 Tagen nach North-Grave brachte. So kamen wir denn glücklich und jubelnd an Ort und Stelle an. Die ganze Reise von Hause aus, einschließlich allen Aufenthaltes und der Quarantaine vor St. Louis hat 12 Wochen gedauert.

 

Nun wollt Ihr auch wohl gern wissen, wie es allhier aussieht und insonderheit wie es mit der Landwirthschaft steht. Die Häuser sind bei weitem nicht so groß als in Deutschland, fast alle von gesägtem Holze, sogenannte Blockhäuser, und nur einige von Steinen errichtet sind. Die wellenförmige Lage des Bodens kann ich Euch am besten mit dem Breinermoorer Kirchhofe vergleichen. Ihr denkt nun vielleicht, dann liegt das Ackerland doch schlecht. O nein! das ist vielmehr eine wahre Tugend an diesem Lande. Der Boden ist hier auch sehr durchsackend, so daß kein Wasser darauf stehen bleibt, wiewohl es oft und stark regnet. Hier kann ein Mann weit mehr Land bearbeiten, als drei oder vier bei Euch; denn alles Land wird nur einmal und 40 bis 80 Aeres und noch wohl mehr zusammenhängend abgepflügt. 

 

Im Frühjahr, wenn das Gras beginnt zu grünen, bis Mitte Juni wird das Land gebrochen. Im Herbst wird das Gras abgebrannt bevor man pflügt. Die hiesigen Pflüge sind sehr einfach und haben zwei Sterzen Man hat große Pflüge, die 24 bis 28 Zoll breite Furchen schneiden, vor welche 6 bis 8 Joch Ochsen gespannt werden und erstaunlich geschwind und viel Land beackern.

 

Der Weizen ist hier ein Hauptproduct, die Ernte diesen Sommer aber nicht so ergiebig gewesen wie sonst. Garbenbinden verrichten nur Mannspersonen, die hier überhaupt wohl tüchtig arbeiten müssen, aber auch viel Geld verdienen. 

   Baumann-Hero-1939 

Typisches Inserat von Auswanderern 

(aus dem General-Anzeiger Westrhauderfehn 1939)

 

Der Rocken gedeiht hier auch vortrefflich, wird aber wenig gebaut und nur an Brenner für Branntwein vertauscht, denn man bäckt Brod vom besten Weizenmehl, was uns auch besser gefällt als das ostfriesische Schwarzbrot. Hafer und Gerste werden reichlicher gebaut und sogar der Buchweizen, der bei Euch ja mageren Boden hat, kommt auf diesem fetten trefflich fort. Die Viehzucht gedeihet hier auch gut. Die Kühe geben viel Milch und schöne Butter. 

 

Man denke auch ja nicht, daß wir hier in einer förmlichen Abgeschlossenheit von allem Verkehr und Treiben leben. O nein, meine Lieben! wir wohnen freilich etwas zerstreuter und einsamer als in Ostfriesland, doch ruhig, glücklich und sorgenfrei. Hier zu North-Grave haben sich außer so vielen fremden Familien schon über 30 ostfriesische aus Overledingerland, Neermoor etc. angesiedelt. Nur 3 Stunden von uns ersteht eine hübsche Stadt, die heißt Freeport und hat bereits 3 schöne Kirchen.

 

Wer auch nichts hat, ist aber nur brav, ehrlich, arbeitsam und wahrhaft religiös, der ist ebensowohl geachtet wie unser Präsident. Der Verkehr mit den Amerikanern ist darum auch weit besser als mit den Deutschen. Herrschaften und Dienstboten speisen gleichzeitig miteinander an ein und demselben Tische und ist durchaus kein Unterschied zwischen denselben bemerkbar. Jeden Tag ohne Ausnahme giebts Morgens, Mittags und Abends Speck und Fleisch. Nahrungsmittel sind billig zu haben, fast alle anderen Bedürfnisse aber und insbesonderheit Schuhzeug, Manufakturwaaren usw. zwei bis dreimal theurer als in Deutschland.“ Damit endet der Bericht des unbekannten Rhaudermoorers, der in den USA eine neue Heimat fand. 

 

von Frank Groeneveld

   Heye Orthmann Bereits vor 1900 ist der gebürtige Ostrhauderfehner Heye Orthmann (sitzend 2.v.r) in die USA nach Illinois ausgewandert. Mitte der 1920er Jahre besuchte er seine Familie, welche in der heutigen Kirchstraße wohnte. Dabei wurde dieses Gruppenbild vom Idafehner Photographen Georg Hensmanns aufgenommen. 

Foto überlassen von Käthe Feldkamp.

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Veröffentlichung

So, 22. Oktober 2023

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