Freizeit war für unsere Großeltern Mangelware

Durch die Corona-Maßnahmen in den Jahren 2020 und 2021 wurde das öffentliche Leben in Deutschland stark eingeschränkt. Nach und nach wurden inzwischen von offizieller Seite immer mehr Lockerungen erlaubt, um so den Alltag zu normalisieren. Die Pandemie hat all das, was uns doch an Freizeitaktivitäten wie z.B. Familienfeiern, Sport, Restaurantbesuche, Reisen usw. so selbstverständlich erschien, plötzlich neu ins Bewusstsein gerufen.

Dies war zu Zeiten unserer Großeltern ganz anders. Die heutigen Freizeitaktivitäten waren nicht bekannt. Schaut man sich die damaligen Lebensbedingungen an, wird klar, dass das tägliche Überleben im Mittelpunkt stand. Grundlage hierfür war harte körperliche Arbeit, wie z.B. das Torfgraben.

 

Oftmals wurden zehn Stunden und mehr am Tag gearbeitet. Der Takt wurde von den Haustieren (Melktied) und den Jahreszeiten („Bohnentied is drocke Tied“) und dem Wetter (Heiweer) vorgegeben. Lediglich im Winter, wenn die Kanäle zugefroren waren und die Schifffahrt zum Erliegen kam, wurden die Schlittschuhe („Breinermörkers“) untergeschnallt, und man schöfelte oftmals quer durch den Hammrich und besuchte Familienmitglieder in den Nachbarorten.

 

Freizeit gab es für die Overledinger in der Regel nur am Sonntag oder an besonderen Feiertagen. Einen besonderen Stellenwert nahm dabei das Pfingstfest ein. Natürlich gab es den christlichen Hintergrund, welcher mit vielen Festgottesdiensten gefeiert wurde. Hinzu kam, dass es im Gegensatz zu Weihnachten oder Ostern wettertechnisch gesehen meist angenehm warm war.

Verlobung zu Pfingsten 1930

So entwickelte sich auch das gesellschaftliche Leben. Pfingsten war beispielsweise für junge Paare ein beliebter Termin, um Verlobung zu feiern. Ein Blick in alte Zeitungen zeigt, dass überall im Overledingerland und darüber hinaus die Gastwirtschaften öffneten und mit diversen Feiern etwas Abwechslung in den von der Arbeit geprägten Alltagstrott brachten.

 

Jeder kennt wahrscheinlich die Geschichten unserer Großeltern vom Pfingstfrühtanz im Klosterbusch bei Bokelesch. Dieser Frühtanz bei der Gastwirtschaft Olling mit der Unterhaltung durch die Kapelle Karl Park u.a. zählte zu den größten Veranstaltungen im weiten Umkreis. Tatsächlich fanden etliche spätere Ehen hier ihren Anfang. Aber auch der eigentliche Wald „Klosterbusch“ lockte Naturfreunde an.

 

Der bekannte ostfriesische Vergnügungspark „Waldkur“-Zoo von „Onkel Heini“ in Logabirum war ebenfalls stark besucht. Von der Ostrhauderfehner Gaststätte Billker aus lud beispielsweise der Holterfehner Schiffer Bunger 1930 zu einer „Lustfahrt“ nach Logabirum ein.

 

Auch die Kleinbahn stellte sich auf die vielen Pfingstausflügler ein und bot Sonderbusfahrten zwischen Westrhauderfehn und dem Saterland an. Die meisten Fehntjer werden aber sicherlich per Rad oder Motorrad von einem Ort zum nächsten gefahren sein.

 

Zu Pfingsten 1930 hatte sich der Gastwirt Jonny Billker in Ostrhauderfehn etwas Besonderes für seine Gäste ausgedacht. Er hatte seine Gartenanlage für ein Frühkonzert am ersten Pfingsttag laut einem Zeitungsbericht in einen „tadellosen Zustand“ instandgesetzt. Am zweiten Pfingsttag veranstaltete das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold eine Pfingstfeier mit „Tanz im Freien“ und einem großen Festball. Für den Abend wurde der Garten mit einem Scheinwerfer in verschiedenen Farben illuminiert. Hierdurch, so der Zeitungsbericht, erhielt das Tanzen „einen ganz besonderen Reiz“.

 

Das hierdurch viele Gäste angelockt werden können, muss auch Arnold Cramer, der Wirt des Idafehntjer Schleusenhauses, erkannt haben, denn er lud ebenfalls zu einem Gartenkonzert bei bengalischer Beleuchtung und dem Abbrennen eines Feuerwerkes ein.

 

In Idafehn veranstaltete der Kriegerverein 1930 bei der Gastwirtschaft Pelzer (später Meinders) bei Bilderbuchwetter ein Pfingstschützenfest. Etliche Besucher, die in den Wald nach Bokelesch gingen, legten hier eine Pause ein, um sich den Schießwettkampf anzusehen, an dem sich auch die Kriegervereine aus Potshausen und Holterfehn beteiligten. Beim Vogelschießen wurde Peter Bruns Schützenkönig. Die 12 Mann starke Kapelle Stalljann sorgte für den musikalischen Rahmen.

Hotel "Zum goldenen Anker" Westrhauderfehn

In Westrhauderfehn konnten die Ausflügler u.a. im Hotel „Frisia“ von Familie Bahns einkehren, wo eine Jazz-Kapelle ein Unterhaltungskonzert auf der Tanz-Diele gab. Für den Abend luden die „Frisia-Lichtspiele“ zu einem Zirkusfilm über Katharina Knie ein. Das Hotel „Zum goldenen Anker“ (Marinesse) hatte eine Oldenburger Kapelle verpflichtet, welche zu einem öffentlichen Ball aufspielte. Im Nachhinein kam der Zeitungsreporter 1930 zu dem Ergebnis, dass die Pfingstausflüge bei dem schönen Wetter „eine reine Freude bereiteten“.

von Frank Groeneveld